Nicht mehr als 10 Minuten zu Fuß zur Haltestelle: So geht guter Nahverkehr

Noch vor 200 Jahren spielte sich das Leben der meisten Menschen in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld ab. Durch den Einzug von Bussen oder Straßenbahnen in unsere Städte änderte sich das im ausgehenden 19. Jahrhundert drastisch. Nun ergänzten sich das Zufußgehen und die neuen öffentlichen Verkehrsmittel. Die Städte wuchsen und damit auch das Verkehrsaufkommen, die Menschen legten nun weitere Wege zurück. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzogen dann viele Gemeinden eine radikale Wende und bauten autogerecht um, mit allen heute bekannten Folgen. Doch längst hat ein Umdenken eingesetzt. Straßenbahnen erleben seit Jahren eine Renaissance und inzwischen schenken Politik, Verwaltung und Planungsbüros auch den Bedürfnissen von Radfahrenden, Fußgänger:innen und ÖPNV-Nutzer:innen deutlich mehr Aufmerksamkeit. Eine Verkehrswende schafft in der Stadt von morgen mehr Lebensqualität für alle Menschen. Denn gesellschaftliche Herausforderungen wie der demographische Wandel, wachsende Städte, schadstoffbelastete Luft und Lärm erfordern heute dringend umweltfreundliche, effiziente und barrierearme Formen der Mobilität. Das kann unter anderem gelingen, wenn Autofahrten zu Gunsten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) reduziert werden. Dafür ist aber ein gutes ÖPNV-Angebot Voraussetzung.

Voraussetzung für einen guten ÖPNV sind u.a. ein dichtes Haltestellennetz, ein dichter ÖPNV-Takt, eine hohe Reisegeschwindigkeit des ÖPNV und möglichste umsteigefreie Direktverbindungen, um die Gesamtreisezeit von Tür zu Tür zu minimieren und gegenüber anderen Verkehrsarten zu optimieren.

Wenn Bahnen und Busse für die Menschen leicht erreichbar sind, steigert das nicht nur die Lebensqualität durch kürzere Fahrtzeiten. Mit einem dichten Haltestellennetz und guten Verkehrsangeboten kann die Politik auch die Belastung der Luft mit Schadstoffen mindern und die Klimabilanz verbes-sern. Viele Menschen würden ihr Auto gerne stehen lassen, wenn eine Hal-testelle fußläufig zu erreichen und das Fahrtziel mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowohl bequem als auch klimaschonend und schnell zu erreichen ist.

Ein attraktives ÖPNV-Angebot motiviert mehr Menschen, vom Auto auf Bus oder Bahn umzusteigen. Voraussetzung dafür sind – neben einem durchdachten Streckennetz – moderne, umweltschonende und lokal emissionsfrei, saubere Fahrzeuge (mögliche Antriebsarten in Bremen mit Batterien, in Bremerhaven mit Wasserstoff) möglichst bevorrechtigt auf eigenen Fahrwegen, wo sinnvoll und machbar mit Bevorrechtigung an den Ampelschaltun-gen, direkter An- und Abfahrbarkeit der Haltestellen und keiner Behinderungen durch (Falsch-)Parkende und Lieferdienste/Anlieferung.

Dies betrifft radiale und tangentiale Verbindungen gleichermaßen in erster Linie ist ein dichtes, flächendeckendes Streckennetz und gut erreichbare und barrierefreie Bahnhöfe und Haltestellen. Erforderlich zum Erreichen dieses Ziels ist die Verbesserung der Angebots- und Betriebsqualität (z.B. Taktver-dichtungen, ergänzende Quartiersbusse, Entwicklung von On-Demand-Diensten), das Angebot und die Weiterentwicklung attraktiver Tarife (z.B. günstiger Jahrestickets, Tageskarten, Flexi-Abo und Job-Tickets) und die weitere Vernetzung von Auskunfts- und Vertriebssystemen in der VBN-Fahrplanauskunft.

Als Grundvoraussetzung für verbesserten Nahverkehr müssen eine gute Erreichbarkeit und Verfügbarkeit des ÖPNV auch in zentrumsfernen Stadtgebieten sichergestellt werden. Unser Ziel ist, dass überall in Bremen und Bremerhaven eine Haltstelle in maximal zehn Minuten zu Fuß erreichbar ist. So gibt es z.B. in Bremen gut erschlossene innenstadtnahe Viertel wie Schwachhausen oder die Neustadt, die über ein attraktives Angebot von Linien und Haltestellen verfügen, andere Quartiere wie Borgfeld oder Hemelingen setzen zumindest in Teilbereichen die Bereitschaft zu längeren Fußwegen voraus.

Eine weitere Voraussetzung ist die zeitnahe Einführung eines 10-Minuten-Grundtakts im Rahmen eines Metrobus- und Metrostraßenbahn-Netzes auf wichtigen Radial-, Durchmesser- und Tangentiallinien. Hierzu ist ein Konzept zu entwickeln, das modular in Stufen nacheinander bis 2030 umgesetzt werden kann.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
1. unter Einbeziehung des Bremerhavener Magistrats, der BSAG, VBN, ZVBN und BremerhavenBus das Linien- und Haltestellennetz in Bremen und Bre-merhaven dahingehend zu überprüfen, ob für alle Einwohner:innen in maximal 500 Metern Entfernung vom Wohn- bzw. Arbeitsort die Möglichkeit des Zustiegs zu einem 10-Minuten-Takt-Angebot des ÖPNV besteht und auf welchen Linien tagsüber ein verbindlicher 10-Minuten-Metrotakt eingeführt werden sollte;
2. entsprechend der Ergebnisse vorliegender bzw. zu erstellender Untersuchun-gen Vorschläge zu erarbeiten, wie das Linien- und Haltestellenetz inkl. des Betriebsablaufs in Bremen und Bremerhaven entsprechend der Zielsetzung in Ziffer 1 angepasst werden müsste (inkl. erster Kostenschätzungen und möglicher Finanzierungsmöglichkeiten);
3. der staatlichen Deputation für Mobilität, Bau und Stadtentwicklung und der Bürgerschaft (Landtag) spätestens sechs Monate nach Beschlussfassung einen Sachstandsbericht zu erstatten.

Anja Schiemann, Arno Gottschalk, Holger Welt, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Ralph Saxe, Björn Fecker und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Ralf Schumann, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft